Chemieunfälle prägen ganze Regionen. Diese Top-10 listet die schlimmsten Ereignisse nach Todesopfern und langfristiger Umweltzerstörung. Bewertet wurden unmittelbare Opfer, Vergiftungen, Evakuierungen, Gewässer-/Bodenlasten und regulatorische Folgen.
Übersicht
Bhopal-Katastrophe (Indien)
Rang: 1
In der Nacht 2./3. Dezember 1984 entwich Methylisocyanat aus einem Tank. Innerhalb weniger Stunden kollabierte die medizinische Versorgung. Noch Jahre später litten Betroffene an Atemwegs-, Augen- und Reproduktionsschäden.
- >500.000 Exponierte in der Stadtregion
- Tausende Tote, zehntausende mit bleibenden Schäden
- Kontaminierte Standorte beschäftigten Behörden jahrzehntelang
- Land
- Indien
- Jahr
- 1984
- Hauptstoff
- Methylisocyanat (MIC)
- Exponierte
- >500.000
- Besonderes
- Lange Latenz von Spätfolgen dokumentiert
- Quelle
- Broughton, J. R. Soc. Med. (2005)
Tschernobyl (Ukraine)
Rang: 2
Am 26. April 1986 kam es in Block 4 zum Super-GAU. Über 100.000 Menschen wurden 1986 evakuiert, weitere Umsiedlungen folgten. Erhöhte Schilddrüsenkrebsraten bei als Kindern Exponierten sind gut belegt.
- 116.000 Evakuierte 1986, später ~230.000 umgesiedelt
- Weiträumige Kontamination mit Cs-137 und I-131
- Dauerhafte Sperr- und Überwachungszonen
- Land
- Ukraine (damals UdSSR)
- Jahr
- 1986
- Kernaussage
- Signifikante Schilddrüsenkrebs-Last bei Kindern
- Evakuierte
- ≈116.000 (1986)
- Quelle
- WHO Übersicht (2006)
Fukushima (Japan)
Rang: 3
Erdbeben und Tsunami am 11. März 2011 führten zu Kernschmelzen in drei Blöcken. Große Evakuierungszonen, kontaminiertes Wasser und jahrzehntelange Stilllegungsarbeiten prägen die Folgen.
- Evakuierung von rund 150.000 Menschen
- Langfristiges Management kontaminierter Wässer
- Große Infrastruktur- und Dekontaminationsprojekte
- Land
- Japan
- Jahr
- 2011
- Ursache
- Tsunami → Ausfall Kühlung
- Fokus
- Brennstoffschäden, kontaminierte Wässer
- Quelle
- IAEA Report (2015)
Seveso-Unfall (Italien)
Rang: 4
Am 10. Juli 1976 entwich eine dioxinhaltige Wolke. Chlorakne-Fälle, Tiersterben und zonierte Evakuierungen folgten. Der Unfall wurde zur Blaupause europäischer Störfall-Regulierung.
- Höchste dokumentierte TCDD-Exposition einer Zivilbevölkerung
- Zonen A–R mit unterschiedlichen Maßnahmen
- Impuls für Seveso-Richtlinien der EU
- Land
- Italien
- Jahr
- 1976
- Stoff
- 2,3,7,8-TCDD
- Folge
- EU-Seveso-Regelwerk
- Quelle
- Eskenazi et al., EHP (2018)
Oppau-Explosion (Deutschland)
Rang: 5
Am 21. September 1921 sprengte eine Detonation ein Düngemittel-Silo. Große Teile von Oppau wurden zerstört. Der Unfall prägte den Umgang mit Ammoniumnitrat über Jahrzehnte.
- >500 Tote, ~2.000 Verletzte
- Massive Sachschäden im Umland
- Leitfall für Lager- und Sprengregeln
- Land
- Deutschland
- Jahr
- 1921
- Stoff
- Ammoniumnitrat-Gemische
- Besonderes
- Sprengverfahren zum Auflockern
- Quelle
- BASF Historie (2021)
AZF-Explosion Toulouse (Frankreich)
Rang: 6
Am 21. September 2001 explodierten große Mengen Ammoniumnitrat. Die Druckwelle beschädigte zehntausende Gebäude und löste europaweite Sicherheitsdebatten aus.
- 31 Tote, >2.500 Verletzte
- Großflächige Gebäudeschäden in Toulouse
- Seveso-Betrieb, umfangreiche Ermittlungen
- Land
- Frankreich
- Jahr
- 2001
- Ursache
- Fehlhandhabung/Lagerung von AN
- Schäden
- Zehntausende Gebäude betroffen
- Quelle
- FR ARIA Dossier
Enschede-Feuerwerksunglück (Niederlande)
Rang: 7
Am 13. Mai 2000 detonierte ein Feuerwerkslager inmitten eines Wohnviertels. 23 Menschen starben, ein ganzes Quartier wurde ausgelöscht. Das Ereignis führte zu strengeren Lager- und Abstandsregeln.
- 23 Tote, ~950 Verletzte
- 400 Häuser zerstört, ~1.500 Gebäude beschädigt
- Dauerfolgen für Anwohner dokumentiert
- Land
- Niederlande
- Jahr
- 2000
- Besonderes
- Industrieanlage mitten im Wohngebiet
- Schaden
- Schätzungen ≈ €450 Mio.
- Quelle
- FR ARIA Fiche
Baia Mare Zyanidkatastrophe (Rumänien)
Rang: 8
Am 30. Januar 2000 brach ein Rückhaltebecken einer Goldmine. Zyanid- und Schwermetallhaltige Laugen gelangten über Szamos und Theiß bis in die Donau. Es kam zu massiven Fischsterben und Trinkwasserproblemen.
- ~100.000 m³ kontaminiertes Wasser freigesetzt
- Internationale Havarie-Missionen und EU-Rechtsfolgen
- Langfristige Sediment-Belastungen
- Land
- Rumänien
- Jahr
- 2000
- Schadstoffe
- Zyanid, Schwermetalle
- Reichweite
- Rumänien → Ungarn → Serbien → Donau
- Quelle
- UNEP/OCHA Assessment (2000)
Sandoz-Brand (Schweiz)
Rang: 9
In der Nacht zum 1. November 1986 brannte ein Chemielager in Schweizerhalle. Löschwasser spülte große Mengen Chemikalien in den Rhein. Der Fluss färbte sich rot; Fische, besonders Aale, verendeten massenhaft. Das Ereignis führte zum Rhein-Aktionsprogramm.
- ~1.250 t Chemikalien gelagert; erhebliche Einträge in Luft, Wasser, Boden
- Weitreichende grenzüberschreitende Kooperationen etabliert
- Dauerhafte Überwachungsprogramme
- Land
- Schweiz
- Jahr
- 1986
- Gewässer
- Rhein
- Folge
- Rhein-Aktionsprogramm, strengere Lagerregeln
- Quelle
- Deutsches UBA (2011)
Jilin-Benzolunfall (China)
Rang: 10
Am 13. November 2005 kam es zu Explosionen in einer petrochemischen Anlage. Ein Giftteppich aus Benzol/Nitrobenzol gelangte in den Songhua-Fluss. Millionen Menschen waren zeitweise ohne Trinkwasser; die Fahne wanderte bis nach Russland.
- Störungen der Wasserversorgung u. a. in Harbin
- Internationale Informationspflichten ausgelöst
- Nachhaltige Debatte über Chemikalienmanagement
- Land
- China
- Jahr
- 2005
- Schadstoffe
- Benzol, Nitrobenzol
- Betroffene
- Großstädte entlang Songhua/Amur
- Quelle
- UN OCHA SitRep No. 3 (2005)

