Diese Liste zeigt die 10 spektakulärsten Outings in der Politik, sortiert nach dokumentierter gesellschaftlicher und politischer Wirkung: sichtbare Repräsentation auf hoher Ebene, konkrete Rechtsänderungen, nachhaltige Signalwirkung im In- und Ausland. Die Auswahl basiert auf belegten Ereignissen, kein Sensationalismus, jeweils mit einer zentralen Primär- oder Institutionsquelle.
international = weltweite Signalwirkung oder Vorreiterrolle •
national = maßgebliche Wirkung auf Politik und Recht im eigenen Land •
symbolisch = sichtbare Repräsentation, primär kultureller Einfluss
Übersicht
Jóhanna Sigurðardóttir
Rang: 1
Jóhanna Sigurðardóttir übernahm 2009 mitten in der isländischen Bankenkrise die Regierung und schrieb gleichzeitig Geschichte als erstes offen LGBT-geführtes Regierungsoberhaupt weltweit. Ihr Kabinett stand für Finanzstabilisierung, Sozialstaat und die institutionelle Verankerung von Gleichstellungspolitik. Als 2010 die geschlechtsneutrale Ehe in Kraft trat, konnte sie ihre eigene eingetragene Partnerschaft in eine Ehe umwandeln – ein starkes Symbol dafür, dass Gleichstellungsrecht nicht abstrakt, sondern unmittelbar gelebte Lebensrealität ist.
Ihr Outing war in Island schon lange vor der Amtsübernahme bekannt, doch der Sprung auf die Position der Premierministerin verschob die globale Wahrnehmung: Zum ersten Mal führte eine offen lesbische Frau eine souveräne Regierung. Für viele spätere Spitzenpolitiker:innen diente ihr Beispiel als Beleg, dass sexuelle Orientierung kein politisches Ausschlusskriterium mehr sein muss.
- Outing/Relevanz: seit Jahren offen lesbisch, 2009 erste offen LGBT-Regierungschefin weltweit
- Rechtswirkung: 2010 Einführung der Ehe für alle, Umwandlung der eigenen Partnerschaft in eine Ehe am ersten Tag
- Signal: Referenzfall für Länder, die Gleichstellungspolitik mit regeringsamtlicher Repräsentation verbinden
- Land
- Island
- Amtszeit als Regierungschefin
- 2009–2013
- Kategorie der Wirkung
- international – globaler Präzedenzfall für LGBT-Repräsentation im höchsten Regierungsamt
- Quelle
- Encyclopaedia Britannica
Elio Di Rupo
Rang: 2
Elio Di Rupo war bereits seit den 1990er-Jahren offen schwul, lange bevor er 2011 Premierminister Belgiens wurde. Sein legendäres „Oui, et alors?“ auf die Frage nach seiner sexuellen Orientierung steht für eine neue Selbstverständlichkeit im politischen Umgang mit Homosexualität. Als Regierungschef eines EU-Staates mit langer Gleichstellungstradition zeigte er, dass sexuelle Orientierung der Ausübung eines der mächtigsten Ämter Europas nicht im Weg stehen muss.
Politisch führte Di Rupo das Land nach einer Rekord-Pattsituation wieder zu einer handlungsfähigen Regierung und setzte Reformen im Sozial- und Arbeitsrecht um. Symbolisch war seine Rolle jedoch noch größer: Als erster offen schwuler Mann an der Spitze einer Regierung in der EU wurde er zu einem Bezugspunkt für öffentliche Debatten in anderen Ländern, in denen offen lebende LGBT-Politiker:innen noch Seltenheit waren.
- Outing/Relevanz: öffentlich geoutet seit 1996 („Oui, et alors?“)
- Amt: Premierminister Belgiens 2011–2014
- Signalwirkung: EU-weit sichtbarer Bruch mit dem Bild des „klassisch heterosexuellen“ Regierungschefs
- Land
- Belgien
- Politische Ebene
- Regierungschef (national)
- Kategorie der Wirkung
- international – EU-weit wahrgenommener Schritt in Richtung Normalisierung
- Quelle
- Eurofound – Regierungsprofil Belgien
Leo Varadkar
Rang: 3
Leo Varadkar outete sich 2015 als amtierender Gesundheitsminister live im irischen Rundfunk – ein Tabubruch in einem Land, das noch wenige Jahrzehnte zuvor Homosexualität kriminalisiert hatte. Kurz danach stimmte Irland als erstes Land der Welt per Volksabstimmung für die Ehe für alle. Varadkar wurde zum Symbol für den rasanten gesellschaftlichen Wandel in einem mehrheitlich katholischen Staat.
Als er 2017 zum Taoiseach (Regierungschef) aufstieg, verband sich sein persönlicher Hintergrund – Sohn eines indischen Einwanderers, offen schwul – mit einer Agenda liberaler Reformen (u. a. Abtreibungsreferendum, moderne Familienpolitik). Für viele Iren stand sein Aufstieg für die Abkehr vom klerikal geprägten Nachkriegskonsens und für ein Selbstbild als offenes, modernes EU-Land.
- Outing: 18. Januar 2015 in einem Interview mit RTÉ Radio 1 („I am a gay man“)
- Rechtswirkung: Unterstützung des Ehe-für-alle-Referendums 2015, das mit deutlicher Mehrheit angenommen wurde
- Symbolik: erster offen schwuler irischer Regierungschef und sichtbares Zeichen für den kulturellen Bruch mit der Vergangenheit
- Land
- Irland
- Amtszeiten als Taoiseach
- 2017–2020 und 2022–2024
- Kategorie der Wirkung
- national – tiefgreifende Normalisierung im Kontext eines zuvor konservativen Gesellschaftsmodells
- Quelle
- RTÉ – Coming-out von Leo Varadkar
Ana Brnabić
Rang: 4
Ana Brnabić ist die erste Frau und erste offen lesbische Regierungschefin in Serbien – und überhaupt eine der wenigen offen LGBT-Premierministerinnen außerhalb Westeuropas. Ihre Ernennung 2017 in einem politisch konservativen, mehrheitlich orthodox geprägten Umfeld sorgte international für Schlagzeilen. Während die Rechtslage für LGBT-Personen in Serbien weiterhin begrenzt blieb, war allein die Sichtbarkeit einer offen lesbischen Regierungschefin in der Region ein Novum.
Brnabić nahm an Pride-Veranstaltungen in Belgrad teil und wurde – trotz kritischer Stimmen zu Tempo und Tiefe von Reformen – zum Prüfstein dafür, wie glaubwürdig Regierungen in Beitrittskandidatenländern LGBT-Rechte vertreten. Ihre Person steht damit exemplarisch für das Spannungsfeld zwischen symbolischer Modernisierung und langsamer rechtlicher Angleichung an EU-Standards.
- Outing/Relevanz: erste offen lesbische Ministerin Serbiens 2016, seit 2017 Premierministerin
- Regionale Besonderheit: erste offen LGBT-Regierungschefin in Südosteuropa
- Kontext: Land mit anhaltenden gesellschaftlichen Spannungen rund um Pride-Demonstrationen und Minderheitenrechte
- Land
- Serbien
- Politische Ebene
- Regierungschefin (national)
- Kategorie der Wirkung
- international – symbolischer Bruch mit traditionellen Erwartungshaltungen im Westbalkan
- Quelle
- The Guardian – Ernennung von Ana Brnabić
Xavier Bettel
Rang: 5
Xavier Bettel ist seit 2013 Premierminister Luxemburgs und gehört zu den sichtbarsten offen schwulen Regierungschefs Europas. 2015 heiratete er seinen Partner Gauthier Destenay – nur wenige Monate nach Inkrafttreten der Ehe für alle in Luxemburg. Es war das erste Mal, dass ein amtierender Regierungschef in der EU seinen gleichgeschlechtlichen Partner mit großem Medienecho heiratete.
Luxemburg war bereits vor Bettel ein Land mit vergleichsweise liberaler Rechtslage. Die Kombination aus Gesetzesänderung und hochsichtbarer Eheschließung auf Regierungsebene verstärkte jedoch die Signalwirkung: Bilder des Paares bei EU-Gipfeln und Staatsbesuchen wurden zu einem Normalfall in der europäischen Politik, was besonders in konservativeren Mitgliedstaaten Debatten anstieß.
- Amt: Premierminister Luxemburgs seit 2013
- Ereignis: Eheschließung mit Gauthier Destenay im Mai 2015 kurz nach Einführung der Ehe für alle
- Europäische Sichtbarkeit: Präsenz als offen schwuler Regierungschef in EU-Räten und internationalen Foren
- Land
- Luxemburg
- Rechtskontext
- Ehe für alle seit 2015, Bettel unter den ersten Paaren, die heirateten
- Kategorie der Wirkung
- national/international – Normalisierung auf EU-Regierungsebene
- Quelle
- Reuters – Hochzeit von Xavier Bettel
Pete Buttigieg
Rang: 6
Pete Buttigieg outete sich 2015 als amtierender Bürgermeister von South Bend in einem Zeitungsartikel und wurde 2021 als erster offen schwuler, vom Senat bestätigter US-Kabinettminister Verkehrsminister der Vereinigten Staaten. International bekannt wurde er bereits zuvor als Präsidentschaftsbewerber der Demokraten – als einer der ersten offen schwulen Kandidaten, der Vorwahlen gewann und landesweit konkurrenzfähig war.
Seine Ernennung signalisierte, dass LGBT-Repräsentation in den USA nicht mehr auf Kongress- oder Lokalebene begrenzt ist, sondern das Machtzentrum der Exekutive erreicht. Seine Arbeit als Verkehrsminister – vom Umgang mit Infrastrukturpaketen bis zu Debatten über Flugverkehr und Lieferketten – machte ihn zu einem der sichtbarsten Kabinettsmitglieder und zu einem Referenzfall dafür, wie „Outness“ in Spitzenämtern politisch kaum noch erklärungsbedürftig ist.
- Outing: Juni 2015 in der South Bend Tribune als amtierender Bürgermeister
- Amt: US-Verkehrsminister 2021–2025, erster offen schwuler, senatsbestätigter Kabinettschef
- Signalwirkung: Verschiebung der Repräsentationsgrenze von kommunaler zu nationaler Exekutive
- Land
- USA
- Politische Ebene
- Bundesregierung (Kabinett)
- Kategorie der Wirkung
- international – häufig zitierter Referenzfall in Debatten um Repräsentation in Exekutivspitzen
- Quelle
- UVA Miller Center – Biografie Pete Buttigieg
Tammy Baldwin
Rang: 7
Tammy Baldwin steht für eine lange Linie von „Firsts“ in der US-Politik: erste offen lesbische Frau im Parlament von Wisconsin, erste offen lesbische Person im US-Repräsentantenhaus aus diesem Bundesstaat und schließlich 2012 erste offen LGBT-Person im US-Senat. Ihr Outing war nie ein einzelnes „Event“, sondern integraler Bestandteil einer politischen Karriere, die von Anfang an offen geführt wurde.
Im Senat profilierte sie sich als Stimme für Gesundheitsversorgung, Arbeitnehmerrechte und LGBT-Gleichstellung. Gerade in Debatten um Militärdienst, Antidiskriminierung und Eheöffnung diente ihre Biografie als sichtbare Widerlegung der These, dass offen lebende LGBT-Personen „zu polarisierend“ für bundesweite Wahlen seien.
- Relevanz: erste offen LGBT-Senatorin in der Geschichte der USA
- Langzeitwirkung: dauerhafte Repräsentation in einem der mächtigsten Gesetzgebungsorgane weltweit
- Politikfelder: u. a. Gesundheit, soziale Sicherung, Bürger- und Gleichstellungsrechte
- Land
- USA
- Amt
- US-Senatorin für Wisconsin seit 2013
- Kategorie der Wirkung
- national – Normalisierung offen LGBT-geführter Wahlkämpfe auf Bundesebene
- Quelle
- U.S. Senate – About Tammy Baldwin
Jared Polis
Rang: 8
Jared Polis war bereits als Kongressabgeordneter offen schwul, bevor er 2018 Geschichte schrieb: Er wurde als erster offen schwuler Mann zum Gouverneur eines US-Bundesstaates gewählt. In Colorado kombinierte er progressive Politikfelder wie erneuerbare Energien, Bildung und Cannabisregulierung mit einem sehr alltäglichen Umgang mit seiner Familie – inklusive vielbeachteter Bilder als „Regenbogenfamilie“ in der Amtsführung.
2021 heiratete er seinen langjährigen Partner Marlon Reis als erster amtierender Gouverneur in einer gleichgeschlechtlichen Ehe. Seine Wiederwahl 2022 mit komfortabler Mehrheit zeigt, dass offene LGBT-Identität auf Ebene der Bundesstaaten für viele Wähler:innen kein Hinderungsgrund mehr ist – selbst in Zeiten polarisierter Kulturkämpfe.
- Meilenstein: 2018 Wahl zum Gouverneur von Colorado als erster offen schwuler Mann in diesem Amt
- Nachwirkung: 2022 als erster offen schwuler Gouverneur in den USA wiedergewählt
- Symbolik: Verbindung von Familienalltag und Spitzenamt in einem Swing State
- Land
- USA
- Amt
- Gouverneur von Colorado seit 2019
- Kategorie der Wirkung
- national – Signal für die Wählbarkeit offen schwuler Kandidaten in Exekutivspitzenämter
- Quelle
- TIME – Jared Polis als erster offen schwuler Gouverneur
Klaus Wowereit
Rang: 9
Mit „Ich bin schwul und das ist auch gut so“ leitete Klaus Wowereit am 10. Juni 2001 eine Zäsur in der deutschen Politik ein. Als Spitzenkandidat der Berliner SPD kam ihm ein möglicher Medien-Skandal zuvor, indem er seine Homosexualität selbstbewusst vom Parteitagspult aus öffentlich machte. Der Satz wurde zum geflügelten Wort und zu einem der bekanntesten politischen Zitate der Berliner Republik.
Im selben Jahr wurde Wowereit Regierender Bürgermeister von Berlin und prägte das Bild der Hauptstadt als „arm, aber sexy“. Für andere Politiker:innen senkte sein Schritt die Hemmschwelle zum Coming-out erheblich. Auch wenn die rechtliche Gleichstellung in Deutschland vor allem durch Bundesgesetzgebung vorangetrieben wurde, war Wowereits offenes Auftreten ein kultureller Beschleuniger, insbesondere im Zusammenspiel mit einer immer sichtbareren Berliner LGBT-Szene.
- Outing: 10. Juni 2001 auf einem SPD-Landesparteitag in Berlin
- Wirkung: breite mediale Debatte, frühe Normalisierung offen schwuler Spitzenpolitiker in Deutschland
- Nachhall: häufig zitierter Referenzsatz in Debatten zu Coming-out und Repräsentation
- Land
- Deutschland
- Amt
- Regierender Bürgermeister von Berlin 2001–2014
- Kategorie der Wirkung
- symbolisch – starker Kultur- und Diskursimpuls, indirekter Einfluss auf Akzeptanz späterer Outings
- Quelle
- Demokratiegeschichten.de – „Und das ist auch gut so“
Geraldine Roman
Rang: 10
Geraldine Roman wurde 2016 als erste offen trans Person in den Kongress der Philippinen gewählt – in einem Land, das stark katholisch geprägt ist und in dem LGBT-Rechte intensiv umkämpft sind. Ihr Wahlsieg in der Provinz Bataan zeigte, dass Wähler:innen auch in konservativen Kontexten eine trans Frau in ein nationales Parlament wählen können, wenn sie lokale Themen glaubwürdig vertritt.
Im Kongress setzte Roman früh auf den Vorstoß eines SOGIE-Anti-Diskriminierungsgesetzes und wurde zum Gesicht des Kampfes gegen Diskriminierung aufgrund sexueller Orientierung und Geschlechtsidentität in der philippinischen Politik. International erhielt sie Anerkennung als eine der einflussreichsten Stimmen für LGBT-Rechte in Südostasien und als Beispiel dafür, wie trans Repräsentation und klassische Infrastruktur- bzw. Sozialpolitik zusammengehen können.
- Relevanz: erste offen trans Person im Repräsentantenhaus der Philippinen (Wahl 2016)
- Politikfelder: Anti-Diskriminierung (SOGIE-Bill), regionale Entwicklung, Sozial- und Gesundheitspolitik
- Signal: internationale Vorbildfunktion für trans Repräsentation in nationalen Parlamenten Asiens
- Land
- Philippinen
- Amt
- Abgeordnete des Repräsentantenhauses (Bataan, 1. Distrikt) 2016–2025
- Kategorie der Wirkung
- international – Pionierrolle für trans Politiker:innen in Südostasien
- Quelle
- Asia Society – Profil Geraldine Roman

